Blasmusik unter Palmen

erschienen in den Westfälischen Nachrichten am 28.09.2019, geschrieben von Klaus Baumeister

Münsteraner sammelt Instrumente für eine Brass-Band in Uganda

14 Trompeten, fünf Posaunen, ein Tenorhorn und eine Tuba hat der Musiklehrer Thomas Stählker in den vergangenen Jahren seinem Freund Andrew Oruni in Uganda geschickt. Was daraus erwachsen ist, kann sich hören lassen!

Jeweils montags und donnerstags, wenn um 16.30 Uhr die Schule endet, wird es laut in Obiya Palaro. Dann zieht die Brass-Band zu Übungszwecken über den Dorfplatz. Selbst die x-te Wiederholung des sorgsam eingeübten Repertoires findet noch ihre begeisterten Zuhörer. Wenn die Brass-Band übt, ist sie nie allein. Die Kinder laufen den Instrumentalisten hinterher, die Mütter stehen vor ihren Hütten und lauschen.

Diese Aufmerksamkeit verwundert nicht, denn die Existenz einer 50-köpfigen Brass-Band in dem kleinen Dorf vor den Toren der ugandischen Großstadt Gulu erscheint wie ein Wunder. Über Jahre hinweg tobte hier im Norden des Landes ein blutiger Bürgerkrieg. Und jetzt, da Frieden herrscht, ist Gulu zur Drehscheibe internationaler Hilfswerke geworden, die von dieser Metropole aus den gut 100 Kilo- meter entfernten, von schweren Kriegswirren geschüttelten Südsudan ansteuern.

Doch auf dem Dorfplatz von Obiya Palaro wirken all diese Krisen buchstäblich wie weggeblasen. Der satte Sound der Trompeten und Posaunen und die dicke Bass-Trommel sind bis in jeden Winkel zu hören, die Musik verbreitet eine Lebensfreude, die daherkommt wie die Begleitmusik des seit zehn Jahren währenden Aufstiegs im Dorf.

Die Brass-Band ist der Stolz von Obiya Palaro – und sie ist das Werk von Andrew Oruni, Lehrer an der Primary School in Obiya Palaro und begeisterter Posaunist. 2012 trug er die ersten Instrumente zusammen, weil er weiß, dass nichts die jungen Menschen im Dorf so sehr elektrisiert wie Musik. Zu traditionellen afrikanischen Trommelklängen können die Mädchen und Jungen stundenlang und nahezu ermüdungsfrei tanzen und singen.

Aber auch die Blasmusik entfaltet in Uganda als einer ehemaligen britischen Kolonie eine gewaltige Faszination, bleibt aber zumeist ein unerfüllbarer Traum: „Die Instrumente sind einfach zu teuer.“

Eine Posaune beispielsweise kostet zwei Millionen ugandische Schilling, umgerechnet 500 Euro. Für deutsche Ohren klingt das erschwinglich, für ugandische aber nicht. Ein Blick auf den HDI-Index, mit dem die Vereinten Nationen den Wohlstand „messen“, genügt als Erklärung: Deutschland liegt auf Platz vier, Uganda auf Platz 163.

Genau an dieser Stelle nun kommt ein Deutscher ins Spiel, Thomas Stählker, ausgebildeter Trompeter, Musiklehrer in Dülmen und Nienberge und Dozent für Trompete an der Musikhochschule Münster.

St. Mauritz hat beide Musiker zusammengebracht. In der münsterischen Mauritz-Pfarre ist Stählker beheimatet und als Stiftstrompeter in der Kirche auch aktiv. Zwischen St. Mauritz und der gleichnamigen Partnergemeinde in Obiya Palaro besteht eine langjährige Freundschaft, gefördert durch das münsterische Hilfswerk Uganda-Hilfe St. Mauritz. So konnte es nicht ausbleiben, dass Thomas Stählker und Andrew Oruni sich eines Tages kennenlernten und seitdem gemeinsam an der Idee einer Brass-Band unter Palmen feilen. Will sagen: Stähler treibt im Münsterland die Instrumente auf, die sich die Musiker in Uganda nicht leisten können. „Ich möchte nicht wissen, auf wie vielen Dachböden noch alte Blasinstrumente liegen“, schmunzelt der Musiklehrer. Stählker kennt die Geschichten, die dahinterstecken: Als Kind eine Trompete zu Weihnachten geschenkt bekommen, einige Jahre Unterricht erhalten, dann die Lust verloren – und die Trompete auf den Dachboden verbannt.

In Obiya Palaro hingegen liegen Blasinstrument niemals unbenutzt herum. Im Gegenteil: „Meist teilen sich zwei oder drei Musiker ein Instrument“, so Oruni. Regelmäßig müsse er Interessierte nach Hause schicken, weil der Bestand nicht ausreiche. Bei dieser Gelegenheit lässt der ugandische Orchesterleiter auch gern durchblicken, dass ihm noch Posaunen und Hörner fehlen. Und eine weitere Tuba könnte er auch gebrauchen. Ach was: „Ich könnte eine zweite Brass-Band gründen, so groß ist die Nachfrage.“

Nach jeder Probe und jedem Auftritt werden die Blasinstrumente und Trommeln wieder sorgsam in einem abschließbaren Raum verstaut, den die Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt hat. Niemand aus dem Kreis der 13- bis 18-jährigen Mitglieder in der Brass-Band darf ein Instrument mit nach Hause nehmen. Nicht dass Andrew Oruni seinen Schützlingen nicht traut. Aber afrikanische Familien sind meist sehr groß – und die Instrumente sehr wertvoll . . .

Auch künstlerisch ist die Zusammenarbeit zwischen Münster und Obiya Palaro eine spannende Angelegenheit, da die Herangehensweise hier wie dort komplett unterschiedlich ist: Die jungen Musiker in Uganda können keine Noten lesen, sie üben nach Gehör. Der Orchesterleiter spielt den Mädchen und Jungen ihre Parts so lange vor, bis sich diese die jeweilige Melodiefolge eingeprägt haben und sie auswendig wiedergeben. Auf diese Art und Weise haben sie auch die deutsche Nationalhymne einstudiert – mehrstimmig wohlgemerkt. Aktuell auf dem Probenplan steht das St.-Mauritz- Lied, dessen Noten Thomas Stählker jüngst seinem Freund nach Uganda schickte.

Die Brass-Band ist inzwischen das musikalische Aushängeschild des Dorfes und tritt auch in Gulu regelmäßig auf – bei Schul- und Kirchenfesten oder Umzügen. Im Oktober ist die Brass-Band eingeladen, bei einem Musikfestival der Universität Gulu aufzutreten.

„Das ist schon eine große Ehre“, meint Andrew Oruni – und Thomas Stählker freut sich mit ihm.

► Die Uganda-Hilfe St. Mauritz in Münster, in der Thomas Stählker aktiv ist, sucht auch weiterhin Instrumentenspenden zum Aufbau der Brass-Band im Partnerdorf Obiya Palaro. Interessierte könnten sich mit dem Verein in Verbindung setzten, hier die Mail- Adresse: apwoyo@uganda-hilfe.de